Die schiere Masse an Daten, die im heutigen Arbeitsalltag im Sekundentakt entsteht, wird für Unternehmen zunehmend zur Herausforderung. Vor allem die vergangenen zwei Jahre der Pandemie haben das weltweite Datenwachstum immens verschärft.

 

Dabei handelt es sich vor allem um unstrukturierte Daten, deren Wert oder Sicherheitsrisiko für Unternehmen nicht nur schwer einschätzbar ist, sondern sich zunehmend auf Speicherkosten, Produktivität und nicht zuletzt auch auf die Umweltbilanz auswirkt. Höchste Zeit für Unternehmen, sich mit dem Thema Data Lifecycle Management auseinanderzusetzen, meint Gregor Bieler, Geschäftsführer EMEA der Aparavi Software AG.

 

 

Zu Gast in unserer Interview-Reihe Datenhelden diskutiert er mit Gastgeber Dr. Gero Presser von QuinScape, warum der Lebenszyklus von Daten zum Trendthema der nahen Zukunft wird und welche konkreten ersten Schritte Unternehmen hier gehen können.

Zur Aufzeichnung des Interviews mit Gregor Bieler geht’s hier entlang.

Leidenschaft für unstrukturierte Daten

Gregor Bieler blickt auf eine über 20-jährige Laufbahn in der IT-Industrie zurück. Zu seinen wichtigsten Stationen zählt neben der Geschäftsführung bei PayPal seine siebenjährige Tätigkeit als General Manager bei Microsoft. Dort baute er vor allem das Cloud-Geschäft mit auf und trieb die Skalierung der Microsoft Cloud Offerings über Partner voran.

„In diesen sieben wilden Jahren bei Microsoft, als man von ‚On Premises‘ hin in die Cloud ging, als Lizenz-Verkauf keine große Rolle mehr spielte, sondern der Verkauf von Lösungen – diese entscheidende Zeit in der IT-Industrie durfte ich mitgestalten“, sagt Gregor Bieler. „Dabei konnte ich in vielen Projekten sehen, welche unglaublich wichtige Rolle das Data Lifecycle Management und der Data Estate eines Unternehmens spielten.“ Aus diesen Erfahrungen entwickelte sich für Bieler eine echte Leidenschaft, die ihn von Microsoft zu seiner aktuellen Station als Geschäftsführer der Aparavi Software AG brachte.

„Data Lifecycle Management ist das entscheidende Thema einer erfolgreichen digitalen Transformation“

Dr. Gero Presser von QuinScape (l.) im Gespräch mit Gregor Bieler von Aparavi (r.)

 

Was versteht man nun genau unter den Begriffen Data Lifecycle Management und Data Estate und was macht beides zu solch spannenden Trendthemen für Unternehmen?

„Das Thema Data Lifecycle Management, also der Lebenszyklus von Daten, ist das entscheidende Thema einer erfolgreichen digitalen Transformation“, sagt Gregor Bieler.

Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Data Estate. Darunter ist die gesamte, datenspeichernde IT-Landschaft eines Unternehmens zu verstehen, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt.

Dazu gehört beispielsweise die zentrale Server-Architektur, die entweder On Premises läuft, also auf eigenen Servern im Unternehmen, in einem gemieteten Datacenter oder in der Cloud. Weiterhin kommen die Geräte der Mitarbeiter hinzu, sowohl die im Büro als auch mobil genutzte Geräte sowie jede Form von Datenspeicherung.

Unkontrolliertes Datenwachstum während der Pandemie

Am Beispiel eines durchschnittlichen Unternehmens, das seit mindestens zehn Jahren besteht, versucht Bieler die typische Entwicklung der digitalen Transformation zu veranschaulichen.

„Irgendwann im Laufe der Zeit fängt das Unternehmen an, nicht mehr nur auf eigene Server zu setzen, sondern sie aus Kosten- oder Effizienzgründen auszulagern. Dann kommt vielleicht ein Datacenter hinzu, dann expandiert man geografisch, ist nicht mehr nur in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, dann ist man auf einmal in Frankreich oder vielleicht sogar in Asien oder den USA. All diese von Unternehmen entweder eigenen oder gemieteten Standorte, wo Daten gespeichert werden, all das gehört zum Data Estate, der sich über die Jahre hinweg entwickelt und immer weiter wächst.“

Vor allem seit der Pandemie, wo immer mehr Mitarbeiter vom Homeoffice aus arbeiten, hat sich das Thema noch einmal verschärft, weil viele Unternehmen strukturell darauf nicht vorbereitet waren. „In den vergangenen zwei Jahren sind Daten entstanden, von denen die Unternehmen oftmals gar nicht wissen, wo diese liegen, welche Risiken oder auch Chancen sich darin verbergen und welche Sicherheitsthemen damit verbunden sind,“ erklärt Bieler die aktuelle Situation.

Was kann man als Unternehmen tun, um sich diesem Thema anzunähern und einen Überblick über die eigenen Daten zu bekommen? Gregor Bieler schildert ein bei Aparavi bewährtes Vorgehen.

Data Lifecycle Management: Erste Schritte für Unternehmen

„Bei Aparavi starten wir immer mit einem sogenannten Data Assessment, um zu verstehen, wo welche Daten eines Unternehmens liegen. Diese Datenaufnahme, dieser Data Snapshot, ist der Startpunkt einer jeden Data Lifecycle Management-Initiative“, erklärt Gregor Bieler.

Im nächsten Schritt geht es darum, vor allem die unstrukturierten Daten zu klassifizieren, zu indizieren und weiter zu verarbeiten, z. B. in Löschkonzepte zu überführen oder in spezielle Analysetools zu importieren. Davon abhängend wird dann erarbeitet, wie der Data Lifecycle eines Unternehmens aussehen soll. Dies hängt vielfach von Regulierungen ab, von Compliance-Richtlinien, der Geschäftsstrategie sowie verschiedenen anderen Themen.

Auch das Thema DSGVO spielt hier eine wichtige Rolle sowie die Risiken, die damit verbunden sind. „In dem Moment, wenn der Data Snapshot gemacht wurde, ist er eigentlich schon wieder veraltet, weil bereits neue Daten hinzugekommen sind“, sagt Bieler. Hier stellt sich die Frage, welche Haltung das Unternehmen hinsichtlich des Datenmanagements einnehmen möchte.

Vier gute Gründe, sich mit dem Lebenszyklus von Daten zu beschäftigen

Wurde das Thema von Unternehmen bisher meist ignoriert, ändert sich diese Haltung rapide. Gregor Bieler führt vier gute Gründe an, sich als Unternehmen mit dem Thema Data Lifecycle Management zu beschäftigen.

1) Regulierungsanforderungen als Treiber

Vor allem Regulierungsanforderungen, Gesetze und Vorschriften bewegen bzw. zwingen Unternehmen – insbesondere Banken, Versicherungen, aber auch Behörden – dazu, sich mit dem Thema Data Lifecycle Management auseinanderzusetzen.

2) Speicher- und Energiekosten sparen

Datenspeicherung in der Cloud und die entsprechende Administration kostet! Vor allem, seit die Masse an Daten immer weiter zunimmt und die Energiepreise explodieren, spielt das Thema Kostenreduzierung eine wichtige Rolle.

3) Produktivität: Dateien suchen kostet Zeit

Ein nicht zu unterschätzendes Thema ist die Produktivität – und damit die „Happiness“ – der Mitarbeiter. „Wir haben zwei Studien gemacht, die besagen, dass Mitarbeiter pro Woche 9,3 Stunden Zeit damit verbringen, Dateien zu suchen“, erklärt Gregor Bieler hierzu.

4) Nachhaltigkeitsbilanz verbessern

Last but not least der Nachhaltigkeitsaspekt. „Die IT-Branche ist verantwortlich für 1,5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes“, sagt Bieler. „Jede Datei, die ich lösche oder isoliere, die also keinen Strom mehr verbraucht, spart CO2. Das sind Millionen Tonnen, die man hier sparen kann. Als Unternehmen kann ich also auch für meine Nachhaltigkeitsbilanz einiges tun, wenn ich aktiv ins Data Lifecyle Management einsteige. Und vor allem größere Unternehmen sind mit den neuen ESG-Richtlinien der EU zunehmend gezwungen, das Thema ‚nachhaltiges Datenmanagement‘ aktiv anzugehen.“

Unstrukturierte Daten: Wie kann man sie nutzbar machen?

Die Pandemie hat das Thema Data Lifecycle Management zu einem der wichtigen Zukunftsthemen gemacht. „Es gibt von IBM eine Studie, die besagt, dass 90 Prozent der Daten weltweit innerhalb der letzten zwei Jahren entstanden sind“, sagt Bieler.

Etwa 80 Prozent der Daten eines Unternehmens, so der Aparavi-CEO, seien sogenannte unstrukturierte Daten, also alle Daten, die nicht in einem CRM-System, einem ERP oder sonst einer Datenbank enthalten sind. Dabei handelt es sich beispielsweise um Daten aus dem gesamten Office-Umfeld, wie Power Point oder Excel, dazu noch PDF, Slack Dateien, Bilder, Videos, Logfiles, Chats etc.

Das Problem: „Bisher gibt es keine Tools, mit denen man diese Daten strukturiert hinsichtlich ihrer Inhalte anschauen, analysieren und verstehen kann“, sagt Bieler. Was es gibt, sind einige Ansätze auf Metadaten-Basis.

Auch der mögliche Einwand, unstrukturierte Daten zu vermeiden, indem sie von vornherein in einem CRM eingegeben werden, hält Bieler für wenig praktikabel: „Der Wunsch von Unternehmen, dass alle Mitarbeiter das CRM nutzen, ist natürlich gut und richtig. Aber die Realität sieht anders aus“. Nicht jeder Mitarbeiter ist digital gut aufgestellt und kann problemlos mit einem CRM umgehen. „Das ist die Realität in vielen deutschen Unternehmen.“

Erfolgreiche Zusammenarbeit von Mensch und künstlicher Intelligenz

Wie also können Unternehmen die Inhalte ihrer unstrukturierten Daten bewerten? Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning will Aparavi hier eine Lösung anbieten, die der eher unstrukturierten menschlichen Arbeitsweise Rechnung trägt.

„Die Technologie sorgt dafür, die Struktur hineinzubringen, die man braucht, um zum Beispiel sicherzustellen, dass Daten richtig genutzt oder auch gelöscht werden“, erklärt Bieler. „Wir helfen den Menschen sozusagen, durch die Digitalisierung zu gehen, ohne sie zu zwingen, etwas zu lernen, was sie vielleicht nicht lernen können oder wollen. Und natürlich verschwenden wir viel weniger Arbeitszeit und IT-Ressourcen durch diese Vorgehensweise.“

Fazit: Mehr Daten für bessere Entscheidungen

Mit dieser Strukturgebung der Daten kann am Ende auch der Brückenschlag zur Analytik gelingen. Da auf diese Weise mehr Daten analysierbar gemacht werden, können diese von Unternehmen dazu genutzt werden, in Zukunft bessere Entscheidungen zu treffen. „Mein größter Wunsch ist es“, sagt Gregor Bieler zum Abschluss, „dass die Unternehmen starten, aus ihrem Modus ‚Unstruktierte Daten? Ignoriere ich!‘ herauszukommen und endlich mit den existierenden Lösungen großen Wert für ihre Organisation zu schaffen.“